Sonntag, 17. Februar 2008

Der Genmais und das große Rindersterben /09.05.08

Liebe Freundinnen und Freunde,
der Monsanto-Steckbrief sollte doch an den betroffenen Landwirt noch einmal als Nachdenk-Text gegeben werden (auch als Flugblatttext geeignet!)! Der Fall eines Berufskollegen ist angefügt (Rindersterben bei G. Glöckner).

Ein Text mit einem Hilferuf, zur Förderung des Themas Gentechnik beim Weltkongreß "planet diversity" vom 12. bis 15. Mai 2008 in Bonn ist angehängt!

Grüße Jürgen Kruse
attac-Gruppe Wendland
6.5.08
T.: 05864-986 422



Hallo Jürgen,
herzlichen Dank für Deine Bereitschaft, mein erneutes eiliges Anliegen unterstützen zu wollen.

Klaus Faißner, freier Journalist und wichtiger Gentech-Experte, sehr bekannt als Mitautor und Mitherausgeber des bekannten Buchs von Manfred Grössler und Klaus Faißner "*Gefahr Gentechnik*", das u. a. auf
http://www.bund-pfalz.de/Gentechnik/Buch%20Gefahr%20Gentechnik/Buch%20-%20Gefahr%20Gentechnik.HTM besprochen wird, benötigt überraschend Unterstützung für seine Reise von Wien zum *Weltkongress Planet Diversity in Bonn*, der bereits kommenden Montag beginnt. Dieser Kongress ist ein NGO-Kongress zu den Themen Gentechnik und Biodiversität parallel zum CBD-Treffen der UNO und hat ein enormes Potential an Begegnungsmöglichkeiten mit wirklich wichtigen Aktiven und Verantwortlichen von allen Kontinenten.

Das gestern in Eile gebuchte Billigflugticket (für Bahnreisen wars bereits zu spät) kostete c. 220 Euro, von denen bisher 90 Euro von anderen Spenderinnen und Spendern fest zugesagt sind.

Da unsere Verwandten, die das Ticket vorgestreckt haben, beide eine 7x20-Stunden-Woche haben, hat ein guter Freund von Attac Wuppertal sein Konto zum Sammeln der Spenden dafür zur Verfügung gestellt.

Kontodaten:
Hans Kemper
kto. 662240
blz 33060592
Sparda B
IBAN: DE11330605920000662240
SwiftBIC: GENODED1SPW
Bitte um Mitteilung, mit welchem Betrag Ihr mithelfen könnt.

Ich will Dir nicht verschweigen, dass mir diese massive Notlage so kurz vor diesem wichtigen Kongress außerordentlich peinlich ist.

Und nun noch eben zu dem angedeuteten bekannten Fall von Gottfried Glöckner, der als fortschrittlicher Landwirt aus wohl viele Generationen dauernder Bauerntradition *Syngenta* aufgesessen ist, dabei seine große Milchkuhherde unter sehr schmerzhaften Krankheitserscheinungen verloren hat, und nun wohl vergangenes Jahr seinen Hof verloren hat.
Sein Fall wird im oben genannten Buch von Grössler/Faißner "Gefahr Gentechnik" auf S. 25-37 und im Buch von Fuchs/Andrioli "Agro-Gentechnik: Die Saat des Bösen" mehr essayistisch auf S. 16-19 dargestellt.

Friedlichen und vielfältigen Gruß
Wolfgang

Dr. Wolfgang Wiebecke
Agrargruppe von Attac Wuppertal
Meckelstr. 9 42285 Wuppertal
Tel/FAX: 0202-6480966
www.attac.de/wtal-agrar/

Der Genmais und das große Rindersterben

Gottfried Glöckner, Landwirt aus Hessen, Text: Klaus Faißner
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Zeit - Fragen" und des Autors

"Heute ist ein historischer Tag", sagt Gottfried Glöckner mit tieftrauriger Stimme. "Heute" ist der 13. Dezember 2004, es ist kalt und unfreundlich in Wölfersheim im deutschen Bundesland Hessen, wo Glöckner seine Landwirtschaft betreibt. "Heute", setzt er bedrückt fort, "lasse ich meine letzten Milchkühe abholen. Dann steht der Stall leer." Derselbe Stall, der vor vier Jahren mit 70 Rindern noch prall gefüllt war, von demselben Bauern, der immer akribisch genau darauf geachtet hatte, dass alles wie am Schnürchen klappt, soll auf einmal keine Nutztiere mehr beherbergen? Was ist passiert? "Was sich hier abgespielt hat, kann sich keiner vorstellen - ich konnte das auch nicht. Das ist eine Bombe, die hier eingeschlagen hat", erzählt er, als hätte er gerade einen Krimi mit einem unheimlichen Ausgang gesehen. Hat er auch, nur dass sich dieser Krimi über vier Jahre hinweg auf seinem Hof abspielte und von einem Drehbuchautor kaum hätte dramatischer inszeniert werden können.Den Grundstein für die Geschehnisse hatte Glöckner bereits im Jahre 1994 gelegt: Der technikbegeisterte Diplom-Landwirt, der beständig nach neuen Wegen Ausschau hielt, seinen Hof noch wirtschaftlicher zu führen, wandte sich der Gentechnik zu. Damit zählte er zu den ersten "Gentechnik-Bauern" Deutschlands und des gesamten deutschsprachigen Raums. Bis 1996 stellte er Anträge für die Aussaat von herbizidresistentem Genraps- und Genmais und legte - zusammen mit dem Pflanzenschutz- und Gensaatunternehmen AgrEvo - kleine Versuchsparzellen mit einigen hundert Quadratmetern an. Aus den insgesamt drei Aussaaten konnten jedoch keine brauchbaren Ergebnisse erzielt werden, weil Versuchsgegner einmal das Aufkommen von Genraps durch ein Spritzmittel verhindert und die anderen Male den Genmais entweder abgeschnitten oder ausgerupft hatten.

1997 erteilte die EU-Kommission die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Bt-176 Genmaises, wodurch dieser angebaut und an die Tiere verfüttert werden durfte. Glöckner las alle ihm zugänglichen wissenschaftlichen Untersuchungen und erfuhr, dass die gentechnisch veränderten Pflanzen von den Zulassungsbehörden als "substanziell äquivalent" - also von den Inhaltsstoffen her gleichwertig zu den jeweils gleichen konventionellen Sorten - eingestuft wurden. Also könne er unbesorgt sein, dachte sich Glöckner. Der Startschuss für den "richtigen" Anbau genmanipulierter Pflanzen war gefallen: "Die Neugierde dieser Technologie gegenüber war da, ich war aufgeschlossen dafür und wollte wissen, was passiert.". Ab nun sollte er den Bt-176 Genmais von Novartis - nach der Fusion deren Agrosparte mit der Agrosparte von Zeneca hieß das Unternehmen ab dem Jahr 2000 Syngenta - freisetzen. Die Maispflanze produziert das Toxin des Bacillus thuringiensis, das zur Bekämpfung des Maiszünslers, eines Schädlings, dienen soll.

Zufriedenheit zu BeginnGleichzeitig mit dem ersten Anbau kündigte Glöckner damals auch öffentlich an, etwaige neue Erkenntnisse - in welche Richtung sie auch gehen würden - bekanntzugeben. "Interessanterweise haben sich die Gegner für den großflächigen Anbau ab 1997 überhaupt nicht interessiert und ließen mich in Ruhe arbeiten", wundert sich der Bauer über das damals plötzliche verschwundene Interesse der Gentechnikgegner für seine Felder noch immer. 0,5 Hektar Genmais baute Glöckner in diesem Jahr an, steigerte 1998 bereits auf fünf Hektar und brachte im Jahr 2000 bereits auf seiner gesamten Maisanbaufläche von rund zehn Hektar genmanipulierte Saat aus - denn er war mit den äußerlich sichtbaren Eigenschaften des Genmaises zufrieden: "Die Pflanzen sind so gleichmäßig gestanden wie die Soldaten, sahen aus wie hingestellt, sind einheitlich abgereift und es gab keine Ernteausfälle durch den Maiszünsler. Ich als Praktiker war fasziniert, einen hohen Ertrag und vom Anblick her gesunde Pflanzen zu haben." Unterschiedlicher Wuchs, abknickende Pflanzen, Schädlingsbefall durch den Maiszünsler und zu unterschiedlichen Zeitpunkten reif werdende Maiskolben schienen der Vergangenheit anzugehören.

"Die Versprechen sind eingetreten, die Pflanzen in Ordnung", dachte sich Glöckner und schloss daraus, dass die (Gen-)Technik funktioniert. Doch damit nicht genug: Als die Analyseergebnisse der Futtermitteluntersuchungen 15 bis 20 Prozent höhere Proteingehalte im Genmais aufwiesen als in der ansonsten gleichen konventionellen Maissorte Pactol, freute sich der Hesse zusätzlich über "einen, vom Gensaat-Hersteller gar nicht angekündigten positiven Nebeneffekt für die gesamte Futtermittelqualität von Silomais". Der höhere Eiweißgehalt im Genmais sollte die Milchleistung der Kühe steigern bzw. es möglich machen, den Zukauf von eiweißhaltigem Sojaschrot zu reduzieren. Glöckner rechnete den hohen Eiweißgehalt des Genmaises in die Futtermittelration hinein, stellte aber fest, dass dieser nicht plangemäß in Milchleistung umgesetzt wurde: "Das war das erste Mal, dass etwas anders passiert ist, als ich dachte", schildert er die ersten Unregelmäßigkeiten. Als Reaktion darauf kaufte er mehr Sojaschrot zu, woraufhin die Kühe wieder mehr Milch gaben.

Im Herbst 2000 konnte sich der Landwirt über sehr gute Ernteerträge auf seinen Feldern freuen. Die Lager waren mit Silomais - hier wird die gesamte Maispflanze inklusive Blätter und Stängel verfüttert - von acht Hektar Anbaufläche voll, sodass Glöckner den auf den restlichen zwei Hektar stehenden Genmais ausreifen ließ und einen guten Monat später als Körnermais erntete. Am 18.12. desselben Jahres führte er mit seinem Futtermittelberater eine neue Rationsberechnung unter Berücksichtigung des Körnermaises durch und begann, mit dem Jahreswechsel diese neue Ration zu verfüttern.

Das Jahr 2001 war nur wenige Tage alt, als die Ereignisse begannen, ihren unglaublichen Lauf zu nehmen: Seit knapp zweieinhalb Jahren hatte Glöckner bis zu diesem Zeitpunkt seinen Kühen genmanipulierten Mais in entsprechenden Mengen verfüttert - mit Ausnahme der mangelhaften Eiweißumsetzung ohne nennenswerte Probleme. Plötzlich bekamen seine Kühe einen klebrig-grau-weißen Durchfall. Glöckner dachte an eine zu hohe Eiweißmenge im Futter, reduzierte den Sojaanteil und fügte Heu hinzu. Doch der Zustand der Kühe besserte sich nicht. Im Gegenteil, wie der Landwirt schildert:

"Es kam zu Wasseransammlungen in den Gelenken, zu Ödemen in den Eutern, Blutgefäße erweiterten sich und bei einzelnen Tieren platzten Adern. So kam gehäuft Blut in die Milch, was mitten in der Laktation sonst nicht passiert. Tiere hatten Nierenbeckenentzündungen und Blut im Harn. Es gesellten sich unerklärliche, seltene Krankheitserscheinungen hinzu, wie in einem Fall Schwanzwurzellähmungen, wobei der Schwanz auch nicht zum urinieren oder koten gehoben werden konnte. Bei anderen Tieren war die Euterhaut spröde und rissig, sie konnten ihre Haut selbst nicht mehr fetten und sie schälte sich. Manche Kühe riegelten ihre Milchleistung bei 20 Litern plötzlich ab und gaben keinen Tropfen mehr. Jedes Tier hat anders reagiert, mit der Botschaft: Etwas stimmt nicht, hilf mir."

Doch er konnte nicht helfen, denn er war ebenso ratlos wie sein Tierarzt, die beide "so etwas noch nie erlebt hatten". Im März 2001 entschloss sich Glöckner, das Soja ganz abzusetzen - mit überraschender Wirkung: "Die Kühe gaben auf einmal Milch wie verrückt und wir wussten nicht warum."

Missgeburten und tote KüheDas Ganze steigerte sich weiter: Es kam zu den ersten Missbildungen bei Kälbern - eines kam beispielsweise mit einem blutgefüllten Ansatz im Schulterbereich zur Welt - und zu Missbildungen am Euter der Färsen, das sind die Jungrinder, die noch keine Milch geben. Alle Tiere wurden im Allgemeinen noch anfälliger gegen Krankheiten. "Wir haben den Stall in einen Klinikbetrieb umgewandelt und die Kühe an Infusionen angehängt, um den Betrieb aufrecht zu erhalten." Schließlich starben die ersten Tiere. Zwischen Mai und August 2001 waren es insgesamt fünf Stück: "Die Kühe liefen von der Weide in den Stall und schliefen in der Box tot ein. Sie haben nicht gekämpft oder sich aufgelehnt, sondern sind einfach eingeschlafen. Was mich am meisten stutzig gemacht hat, war der Umstand, dass sie zu dieser Zeit Bedingungen vorfanden, die ihnen normalerweise am meisten behagen: Sie konnten sich auf der Weide frei bewegen, fraßen frisches Gras und waren an der frischen Luft und an der Sonne", schildert Glöckner. Die Erklärung für deren Tod sollte er erst später finden. Eine schnelle - wenn auch unbefriedigende - Antwort sei hingegen von den Beratern des Gentechnikunternehmens Syngenta gekommen: "Sie sagten, dass ich die Tiere falsch gefüttert habe", erzählt der Bauer und gesteht mit seinem heutigen Wissen auch ein, dass sie damit nicht Unrecht hatten: "Ich konnte mit den zur Verfügung stehenden, zum Teil toxischen Futtermitteln mit einem veränderten Aminosäuregehalt gar nicht so füttern, wie ich es in der Ausbildung gelernt hatte."

Ebenfalls im Spätsommer ging die durchschnittliche Milchleistung pro Kuh merklich zurück und es trat ein neues, unerklärliches Phänomen zutage, wie Glöckner anhand seiner akribisch genauen Aufzeichnungen zeigt: Der Eiweißgehalt in der Milch wurde auf einmal höher als der Fettgehalt, "was normalerweise - auch wenn man will - so gut wie unmöglich zu schaffen ist." Glöckner sieht darin ein weiteres, klares Indiz für eine Stoffwechselstörung.

Doch mit den Kühen ging es weiter bergab: "Im Spätherbst 2001 sah die Herde ´zum Kotzen´ aus. Das Fell der Tiere war struppig und sie waren so entstellt, dass die herbeigerufenen Leute vom Zuchtverband entsetzt waren", erinnert sich Glöckner. Es sei ein nie zuvor gesehener Film abgelaufen: "Die Tiere waren nicht zu füttern, denn sie konnten die Zellulose vom Stroh nicht aufschließen - sie hatten immer wieder massive Durchfallserscheinungen, das Stroh wurde nicht wiedergekäut, sondern kam hinten im gleichen Zustand heraus wie sie es gefressen hatten. Es war ein Wahnsinn. Wenn im Reaktor Kuh einmal kein Stoffwechsel mehr stattfindet, dann heißt das viel." Im Februar 2002 erhielt Glöckner von einem herbeigerufenen Umweltrechtler den Rat, den Silomais nicht mehr zu verfüttern - den Körnermais hatte er schon im Juni 2001 abgesetzt. "Ich wäre nie auf diese Idee gekommen", gibt der geschädigte Bauer zu und verdeutlicht damit, wie wenig er bis dahin den Genmais als Auslöser der Probleme vermutet hatte. "Nach dem Absetzen der Maissilage ging es den Tieren etwas besser. Sie sahen besser aus, auch die Milchleistung stieg wieder an", spricht Glöckner von einem weiteren deutlichen Zeichen seiner Tiere im Zusammenhang mit der Fütterung.

Im April desselben Jahres ließ er amtliche Proben vom noch vorhandenen Silomais der Ernte 2000 sowie vom Silomais, Körnermais und der Grassilage des Jahres 2001 ziehen und die Maisproben auf Gehalt an Bt-Toxinen untersuchen. Danach informierte er das Robert-Koch-Institut, das für die Zulassungen von gentechnisch veränderten Organismen zuständig ist, dass es sich um eine Schadensvermutung nach § 34 Gentechnikgesetz handelt. "Zum damaligen Zeitpunkt konnte ich aufgrund zahlreicher Nachrecherchen und routinemäßiger Futtermittelproben alle anderen Gründe wie Schäden durch Futtermittel oder Futtermittelzusammensetzung ausschließen", sagt Glöckner.

Futtermitteluntersuchungen
Am 16. April 2002 erfolgte die wohl wichtigste Probenahme von Futtermitteln, um anschließend im Labor die Ursache der Geschehnisse zu ergründen. Ernst Dieter Eberhard, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger vom Hessischen Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft, zog im Beisein des Syngenta-Mitarbeiters Thoralf Küchler sowie im Beisein von Gottfried Glöckner Proben von der Maissilage 2000 und 2001, vom Körnermais 2000 und von der Grassilage 2001. Diese Proben wurden - zum Teil auch zu späteren Zeitpunkten - an mehrere Labors in Deutschland und den USA verschickt. Zahlreiche interessante Erkenntnisse wurden daraus gewonnen:

- Das Clostridien Center der Universität Göttingen stellte am 3.5.2002 fest: "In keiner Probe konnte Clostridium botulinum festgestellt werden. Auch eine zusätzliche längerfristige Bebrütung brachte kein positives Ergebnis." Clostridium botulinum, ein anaerober Keim im Silagefutter, ist der Erreger der Botulismus-Krankheit, die Tiere innerhalb kurzer Zeit töten kann. Immer wieder, auch in den darauffolgenden Jahren, wurde Glöckner beschuldigt, schlampig oder falsch gehandelt zu haben - und so etwa durch Vorhandensein von Clostridium botulinum selbst schuld an der Misere gewesen zu sein. Der offizielle Laborbefund der Uni Göttingen spricht jedoch eine andere Sprache.

- Das Institut für Lebensmitteltechnologie an der Uni Hohenheim fand keine Laktat-abbauenden Clostridien in der Maissilage und folgerte daraus, dass "es bei den Maissilagen zu keiner Vermehrung von Listeria monocytogenes gekommen ist". Für die Grassilage lautete der Befund ähnlich. Die Krankheit Listerose wird durch dieses Listeria-monocytogenes-Bakterium ausgelöst, das in einer minderwertigen, nicht vollständig vergorenen Silage vorkommen kann. Durch diesen Befund war auch Listeriose als Grund für das Rindersterben auszuschließen.

- An der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt in Kiel (LUFA) wurden die Futtermittel auf ihre Zusammensetzung der Inhaltsstoffe - von Wasser über Protein und Stärke bis hin zu Mineralstoffen und Mykotoxinen - untersucht. Mit den im Prüfbericht vom 2. Mai enthaltenen Daten hatte Glöckner die Gewissheit, "dass das Mischleistungsfutter in Ordnung war".

- Ein ganz wichtiges Ergebnis erhielt der Landwirtschaftsmeister im August 2002 von der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Neustadt an der Weinstraße: Im Bt-176-Silomais des Jahres 2000 wurden 8,3 Mikrogramm Toxin pro Kilogramm Frischmasse gefunden. Zuvor hatte Glöckner schon die Ergebnisse zur selben Untersuchung vom Syngenta-Forschungszentrum in North Carolina/USA zugeschickt bekommen: Per E-Mail, ohne Unterschrift hatte die Mitteilung auf "kein gefundenes Bt-Toxin in den Futterproben" gelautet. Glöckner wurde stutzig: "Hier merkten wir erstmals, dass es in der Analytik zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt."

Falsche Versprechungen
Überhaupt habe Syngenta mit der Zeit immer weniger wie ein ehrlicher, gerader Geschäftspartner gehandelt, sondern "gemauert, dass es unglaublich war", erklärt Glöckner: "Zuerst hat es geheißen, dass das Toxin im Siliervorgang abgebaut wird. Als die von mir in Auftrag gegebenen Untersuchungen das Gegenteil bewiesen, hieß es, das Toxin wird in Sekundenschnelle im Verdauungstrakt abgebaut und taucht daher weder im Fleisch noch anderswo im Tier auf. Letztendlich wurde es überall nachgewiesen: Im Kot, im Blutkreislauf und in den Lymphknoten. Danach übte sich Syngenta in Schweigen."

Der Landwirt gab weitere Proben zur Analyse in Auftrag:- So ließ er von der Firma Supramol in Rodheim verschiedene Futterproben auf ihre Aminosäurenmuster untersuchen. Das Ergebnis vom 26. August 2002 machte ihn nachdenklich: Im Bt-Körnermais des Jahres 2001 wurde um 19,5 Prozent weniger Aminosäure - bei gleichem bzw. höherem Proteingehalt - festgestellt als beim konventionellen Körnermais.

Glöckner sieht schon allein aufgrund dieses Ergebnisses dringenden Handlungsbedarf: "Wenn die gentechnisch veränderten Pflanzen neue Proteine wie das Protein des Bacillus thuringiensis haben, die nicht homolog, also gleichwertig, zu den Aminosäuren sind, muss die Pflanze neu bewertet werden - denn wir wissen nichts über die neuen Eigenschaften der Pflanzen und deren Auswirkungen auf die Tiere." Als Konsequenz der neuen Erkenntnisse müsse dann auch eine neue Futtermitteltabelle erstellt werden, in der die neuartigen Pflanzen und die daraus gewonnenen Futtermittel bewertet werden.

Kein Wohlgefallen hätten diese Untersuchungen bei Syngenta gefunden, erzählt Glöckner. Der für Deutschland verantwortliche Geschäftsführer Hans-Theo Jachmann habe ihn nämlich mit folgenden Worten von der Beschäftigung mit dem Thema abhalten wollen: "Kümmere Dich um Deinen Betrieb und nicht um Dinge, die Du nicht verstehst." Stutzig machte Glöckner auch ein mit 2.7.2002 datiertes Schreiben von Jachmann, in dem dieser auf mehrere von Glöckner gestellte Fragen zur Entsorgung der Bt-176-Maissilage antwortete. Dabei wies Jachmann Glöckner auch darauf hin, "dass die Bt-176-Maissilage nicht auf Grünland ausgebracht werden sollte". Und weiter: "Etwaige Wechselwirkungen mit Stalldung trockenstehender Tiere können von uns nicht vorausgesehen werden." - "Warum soll diese Silage nicht aufs Grünland gebracht werden? Weiß Syngenta vielleicht mehr als ich?", berichtet Glöckner über seine damaligen fragenden Gedanken.

Im Sommer 2002 erhielt der Landwirt jedoch nicht nur eine Reihe wichtiger Analysenergebnisse, sondern auch den nächsten Schlag - wodurch die Aufwärtsentwicklung am Glöckner´schen "Weidenhof" jäh gestoppt wurde: Weitere sieben Tiere verendeten - wieder nachdem sie auf der Weide waren. "Viele Kälber bekamen nach der vierten, fünften Woche einen pechschwarzen Durchfall und waren so fertig, dass sie ihren Stoffwechsel nicht von Lab- auf Pansenverdauung umstellen konnten", schildert er weitere Vorfälle.

Tödliche Gifte auch auf Weide
Glöckner dämmerte erstmals, dass die Todesfälle auch mit der Weide zusammenhängen könnten. Heute steht für ihn dies als Tatsache außer Diskussion: "Ich habe bis 2002 jedes Jahr Gülle auf die Grünflächen ausgebracht und diese war ebenfalls mit Bt-Toxinen belastet. Dieses Bt-Toxin lässt sich inzwischen am einfachsten im Blut nachweisen, wurde aber auch in der Leber, im Milz- und im Darmbereich der Tiere gefunden. Außerdem wurden Genkonstrukte des Bt-Toxins in der Milch festgestellt", verweist er auf Untersuchungsergebnisse der Fachhochschule Weihenstephan von 2001 und der TU München von Juni 2004. Unfassbar ist für Glöckner die Art und Weise, wie die Wissenschaft spätestens ab August 2002, dem Zeitpunkt der Entdeckung von Bt-Toxin im Futtermittel und den Abweichungen im Aminosäuremuster, mit seinem Fall umging: "Mein Hof hätte vor Experten wimmeln müssen. Doch keiner kam. Warum sagte denn niemand: Ja, hier gibt es Toxin im Futter und deshalb müssen wir die Tiere untersuchen?", fragt er sich. Doch anstatt Proben zu ziehen und sich auf die Suche nach der Wahrheit der rätselhaften Krankheits- und Todesfälle zu machen, habe Stillschweigen geherrscht.

Dass es neben den (zuvor geschilderten) Futtermitteluntersuchungen dennoch auch zu Laboruntersuchungen von Tierproben kam, war somit wieder der Initiative Glöckners zu verdanken. So analysierte das Göttinger Clostridien Center fünf Rinderproben auf den Verdacht von Botulismus. Mit Datum 8.8.2002 hieß es dazu: "Die Kotproben enthalten keinen Hinweis auf Clostridium botulinum." Allerdings würden die Antikörper von drei Tieren dafür sprechen, dass in dem Bestand der Erreger Clostridium botulinum vorkomme. Er habe sich daraufhin in Göttingen erkundigt und als Antwort erhalten, dass dies ein normales Ergebnis bei Tieren mit entzündlichen Prozessen sei und das Antikörperergebnis in Wirklichkeit nichts mit Clostridium botulinum zu tun habe. Glöckner wollte weitere Untersuchungen im Hinblick auf Bt-Toxin durchführen lassen - "doch plötzlich waren die Proben verschwunden und tauchten bis heute nicht auf", schildert er ungewöhnliche Vorgänge.

Besonders betroffen war Glöckner, dass der Kalzium-Gehalt im Blut der erkrankten Tiere gegen Null tendierte: "Das Toxin hat das Kalzium gebunden, was zu Leberschäden führte. Es mussten ungewöhnlich hohe Kalzium-Gaben - rund drei Liter pro Kuh - verabreicht werden, um die Tiere wieder fit zu bekommen."

Glöckner beschreibt aus seiner Sicht die beiden fatalen Hauptauswirkungen des Bt-176 Maises:- Die Kühe werden durch die Pflanze belastet.- Kreislaufkontamination über die auf Grünlandflächen ausgebrachte Gülle, wo das Gift von den Kühen entweder direkt aufgenommen wird oder über das silierte Gras oder Heu gefressen wird.

Durch die Ausbringung der "Bt-Gülle" sei es endgültig zu einem Giftkreislauf auf seinem Betrieb gekommen. Glöckner glaubt, jetzt auch den Grund zu wissen, warum dies bisher von offizieller Seite so negiert wurde: "Weil diese Art der Kontamination so teuflisch ist."

Schreckliche Bilder
Glöckner hat für seinen Glauben an die Gentechnik teuer bezahlt: Aufgrund von Todesfällen, Missbildungen, Milchleistungsverlusten oder Leber- und Nierenschädigungen verlor er, von einem Anfangsviehbestand von 70 Tieren ausgehend, insgesamt 135 Kühe. Nach einem vier Jahre dauerndem Kampf, bei dem "ich mich jeden Tag beim Aufstehen fragte, welche neuen, unvorhersehbaren und unglaublichen Dinge heute wieder passieren werden", musste er sich geschlagen geben. Er, der sich seiner Sache so sicher war. Der Stall steht nun leer - und das Erlebte kommt ihm vor wie ein Alptraum. Vor allem die krankhaften Veränderungen der Kühe gehen ihm nicht aus dem Kopf: "Der schlimmste Fall war der Euterdurchbruch einer Kuh. Ihr ist beim Aufeutern - also bei der Bildung des Euters - das Drüsengewebe geplatzt. Zuerst wurde das Euter fest und prall, weil die Milchbildungszellen komplett zerstört waren. Sie hat keine Milch mehr gegeben, stattdessen kamen rund zweieinhalb Liter reines Blut. Drei Wochen später ist das gesamte Drüsengewebe herausgebrochen." Glöckner griff zur Kamera, um diese schrecklichen Szenen zu dokumentieren. Das gemachte Foto sagt mehr als 1.000 Worte: Schwälle von Blut und Fleischklumpen ergießen sich aus dem Euter der stehenden Kuh auf den Boden. Die Apokalypse im Rinderstall wird greifbar. Glöckner ist sich sicher: In diesem Fall - wie auch in vielen anderen Krankheits- und Todesfällen - hat das Toxin des Bacillus thuringiensis ganze Arbeit geleistet, indem es zuerst auf der Weide überlebte und dann im Körper der Kuh enorme Schäden anrichtete:

"Zum Schluss sind die Tiere nur mehr mit dem Selbsterhalt beschäftigt. Das Toxin setzt sich im Lymphsystem, im Drüsengewebe und im Fett ab. Die Alveolen sind stark beeinflusst und die Milchleistung wird zum Erliegen gebracht. Das ist meine Erfahrung. Meine Erfahrung täuscht mich nicht. Der Euterdurchbruch zeigt, dass das Ganze auch im Drüsengewebe angesiedelt ist. Das Toxin ist im Gastroindestinaltrakt (Anm.: Verdauungstrakt). Veterinärmediziner sagen, dass es dort nichts verloren hat. Das Toxin ist da und wird irgendwann aktiv. Wann es aktiv wird, bestimmt das Toxin. Es ist wie eine tickende Zeitbombe. Die Kühe waren von der Milchleistung her zum Teil noch gut drauf und schalteten über Nacht ab - hörten ganz auf Milch zu produzieren. Die Kuh sagte: ´Es geht nicht mehr.´ Das Ganze ist unglaublich."

Begonnen habe es vielfach, indem ein Viertel des Kuheuters zusammengefallen sei wie bei einer trockenstehenden Kuh - einer Kuh, die sich nicht in der Milchperiode befindet. "Dieser Teil des Euters war weder entzündet oder anderwertig beeinträchtigt, sondern die Kuh gab einfach keine Milch mehr", so Glöckner.

Aufgrund seiner Beobachtungen hat der Bauer folgenden Schluss gezogen: "Die Aggressivität des Toxins, das die Kühe auf der Weide aufnehmen, hängt von der Witterung ab. Das ist ein aktiver Organismus, der nicht mehr einzufangen ist." Am verheerendsten sei die Wirkung bei Trockenheit, Sonnenschein und Temperaturen von über 20 Grad. "Solange die Kühe den oberen Teil der Grashalme fraßen, war alles nicht so schlimm. Aber sobald sie sich in Richtung Boden näherten ging es wieder los. Überall, wo die Gülle ausgebracht wurde, ist die Weide vergiftet - und wenn das Gras auf der Weide gemäht und als Silofutter verwendet wurde, war das Toxin dementsprechend in der Grassilage." Auf den wenigen Flächen, wo er keine Gülle ausbrachte, sei dagegen alles normal, will Glöckner den Zusammenhang zwischen der kontaminierten Gülle und dem Rindersterben verdeutlichen.

Auch im Jahre 2003 waren die Probleme nicht enden wollend. Von den Behörden war Glöckner ebenso enttäuscht wie von der Wissenschaft und von Syngenta. Er hatte viele Erfahrungen gesammelt, sich sachkundig gemacht und besaß eine Reihe von Untersuchungsergebnissen und Dokumentationsmaterial. Ihm sei es klar gewesen, dass er jetzt sein 1997 gegebenes Versprechen einlösen musste, die Öffentlichkeit über die Vorgänge am Weidenhof zu informieren. Aber wie? Schließlich wollte er keine Schlagzeilen für Boulevardblätter produzieren, sondern alles möglichst sachlich und offen an die Bevölkerung und vor allem die Bauern - in deren Sinne - weitergeben. Er habe eine schwere Zeit mit zahlreichen Anfeindungen vor sich gesehen, sagt er. "Aber ich musste es tun, um mir weiter jeden Tag in den Spiegel schauen und weiter gerade durchs Leben gehen zu können." Deshalb habe er es gewagt, dem riesigen Syngenta-Konzern die Stirn zu bieten. Schließlich sei 2003 mit Manfred Ladwig vom Südwestrundfunk (SWR) der richtige Mann auf ihn zugekommen, der sich sehr eingehend mit der Materie beschäftigt habe, ist Glöckner froh. Was der Fernsehsendung im "Report Mainz" vom 8. Dezember 2003 folgte, waren zahlreiche weitere Medienberichte im In- und Ausland.

"Man muss Konsequenzen ziehen und aus Fehlern lernen, denn Sicherheit ist unbezahlbar", fordert Glöckner endlich eine tiefgehende Risikoforschung in der Gentechnik. Vor allem gehe es um die Wahrheit: "Es gibt keine andere Chance, als endlich reinen Wein einzuschenken. Die Dinge dürfen nicht unter den Tisch gekehrt werden, sondern müssen klar beim Namen genannt werden, denn Heimlichtuerei ist das Schlimmste."

Durch die Geschehnisse an seinem Hof werde sich sehr viel ändern, ist sich der Bauer sicher: So habe er anhand der in Auftrag gegebenen Aminosäuremessungen zeigen können, dass die von vornherein getroffene Annahme der substanziellen Äquivalenz - also der Gleichwertigkeit der Inhaltsstoffe von gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen - grob falsch ist. Erst im Dezember 2004 bezog sich die FDP-Fraktion bei einer "kleinen Anfrage" an die deutsche Bundesregierung auf Milchproben Glöckners, die auf eine gentechnische Verunreinigung der Milch durch GVO-Futtermittel hinwiesen. Dies hatte Greenpeace im Juni 2004 publik gemacht. Der Rechtsstreit mit Müller-Milch um die Bezeichnung "Gen-Milch", den Greenpeace letztlich gewann, wurde zum großen Thema in Deutschland.

Versagen von Wissenschaft und Behörden
Glöckner machte sich auch schlau, was die Zulassungskriterien dieser Genmaissorte von Syngenta betrifft - und fiel einmal mehr aus allen Wolken: "Den Zulassungsantrag hat das Unternehmen geschrieben und so ist er auch durchgegangen. Nie hat jemand gegen die im Antrag angegebene niedrigste Sicherheitsstufe (S1) Einspruch eingelegt. Das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar", verweist Glöckner auf das, was ihm auf seinem Hof widerfahren ist. "Wenn Ungereimtheiten auftreten - wie Untersuchungsergebnisse mit auffälligen Protein- oder Aminosäurewerten -, muss ich das hinterfragen. Es wird aber offensichtlich nicht hinterfragt. Doch in dem Moment, wo wir alles unter den Tisch kehren, kommen wir mit der Technologie nie zu vernünftigen Lösungen", würde sich der Landwirt ein rasches Eingreifen der Verantwortlichen wünschen. Doch genau das Gegenteil sei der Fall: "So bleibt letztlich alles am Landwirt hängen. Die Landwirte brauchen aber Sicherheit, denn sie wollen vernünftige Rohstoffe produzieren."

Weiters stellte er das Fehlen von Langzeitversuchen fest, was für ihn - wie auch inzwischen für viele andere - völlig unverständlich ist: "Bei dieser Risikotechnologie müsste ich doch ausführliche Fütterungsversuche machen und dabei der kleinsten Kleinigkeit nachgehen. Wenn ich das nicht mache, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn das jemanden später schädigt. Dann kommt die Antwort zeitversetzt und die ist bitter." Er schlägt vor, dass diese Studien von jenen bezahlt werden sollen, die mit einer Risikotechnologie viel Geld verdienen wollen: "Die Gentechnikfirmen sollen sich einen Stall bauen und selbst ausführliche Fütterungsversuche machen - und nicht, wenn es wo gekracht hat, wieder heimfahren. Parallel dazu benötigen wir endlich von unabhängiger Seite geprüfte Langzeitstudien, nach deren Beendigung die Unternehmen noch einmal schauen müssen, ob sich das Ganze wirklich auszahlt. Man kann ja von den Landwirten wohl nicht verlangen, dass sie weiter derartige Versuche in der Praxis machen sollen wie ich."

Jeder müsse endlich Verantwortung für seinen Bereich übernehmen. "Doch wofür übernehmen Wissenschaftler die Verantwortung?", fragt Glöckner. So hätten diejenigen Wissenschaftler des Robert-Koch-Institutes, die für die Genehmigung des Bt-176-Maises in Deutschland verantwortlich waren, einen Fütterungsversuch über 60 Tage durchgeführt. Zur Erinnerung: Glöckners Kühe bekamen nach zweieinhalb Jahren Probleme. "Die Leute des RKI haben etwas gemacht, was keine Aussagekraft hatte. Die Hauptsache war, es zu genehmigen", resümiert Glöckner.

Doch spätestens als er sich hilfesuchend an die verschiedensten Stellen wandte, hätten diese dementsprechend reagieren müssen, meint Glöckner: "Alles was Rang und Namen hat, hätte hier erscheinen müssen. In meinem Betrieb ist ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden. Doch ich bin keine Versuchsanstalt, sondern ein landwirtschaftlicher Betrieb! Ich bin von den Betreibern und der Wissenschaft maßlos enttäuscht, dafür hätte ich sie nicht gebraucht. So kann man mit einer Risikotechnologie nicht umgehen. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, sich hier Informationen abzuholen. Aber bis jetzt hat die Sache nur wenige interessiert."

Auch die Volksvertreter nimmt der mutige Landwirt in die Pflicht: "Die Politik ist gefragt: Wollen wir den Weg der Gentechnik gehen, wollen wir für unser Land das Risiko eingehen?" Glöckner weist darauf hin, dass Syngenta im Juli und November 2004 die Übersiedelung der Forschung von Europa in die USA bekanntgegeben hatte: "Wenn Syngenta selbst das Risiko nicht will, warum soll es ein anderer wollen - schließlich hat sie niemand um den Bt-Mais gebeten."

Die Berichte Glöckners wurden auch vielfach mit dem Argument abgeschwächt, dass es doch weltweit zigtausende Bauern gibt, die ihren Kühen denselben Bt-176-Mais verfütterten und dennoch nie vergleichbare Fälle an die Öffentlichkeit kamen. Glöckner nennt eine Reihe von Gründen für diesen Umstand:

"Zum einen dürfen keine negativen Erkenntnisse an die Öffentlichkeit gelangen, nicht einmal im Rahmen der so genannten Sicherheitsforschung. Für den Bauern selbst ist es jedoch sehr schwierig, die Zusammenhänge nachzuvollziehen. Ich habe in Zusammenarbeit mit den Labors dreieinhalb Jahre dafür gebraucht. Zum anderen dürften derart eindeutige Erscheinungen erst bei einem hohen Anteil von Bt-Mais im Futter sowie bei Kreislaufkontamination auftreten."

Aus der Geschichte lernen?
Die ebenfalls vielfach geäußerte Meinung, dass die Genmaissorten MON 810 von Monsanto oder im Bt-11 von Syngenta deutlich weniger Bt-Toxin enthalten als Glöckners ehemalige Sorte Bt-176, soll überhaupt kein Grund für eine unkritische Haltung sein: "Gebrauchen können die Tiere das Bt-Gift auch hier sicher nicht." Er kritisiert, dass aus der Geschichte offensichtlich nichts gelernt wurde: "Auch bei der Zulassung des Bt-11 Maises wurden keine Langzeitstudien gemacht, sondern es kam zuerst zu Tierversuchen gleich in der Praxis und jetzt sollen Menschenversuche folgen - das kann keine Risikoforschung sein!" Es wäre höchste Zeit, dass derjenige, der das alles in Umlauf setzt, auch dafür haftet.

Daher gebe es für Europa nur einen Weg: "Wir müssen uns intensiv mit der Gentechnologie beschäftigen, sonst haben wir keine Argumente, etwa gegen die Vorgangsweise der USA. Wir müssen ganz gezielte Forschungen in kleinen Bereichen machen, die ins Detail gehen." Neu sein soll die Art und Weise der Präsentation: "Die Forschungen müssen öffentlich, für jeden zugänglich und leicht verständlich publiziert werden", wünscht sich Glöckner.

Der groß gewachsene Bauer, der seit 24 Jahren Milchvieh hält und vor diesen dramatischen Ereignissen "nie derartige Probleme nur annähernd in diesem Umfang" hatte, schenkt Milch in den Kaffee: "Das ist keine Milch von uns", sagt er erklärend. "Das hat es bei mir noch nie gegeben." Noch vor wenigen Jahren liefen täglich über 1.500 Liter Milch in die Tanks, heute bleiben sie trocken. Er sei schockiert gewesen, als ihm die direkte Verbindung zwischen dem Zustand der Kühe und dem Genmais klar geworden sei, führt er weiter aus. Schließlich habe er sich auf die Aussagen der Firmen und Behörden verlassen.
Glöckner stellt sich die Frage nach dem Verantwortungsbewusstsein der Gentechnikfirmen: "Ich verstehe deren Vorgangsweise nicht. Sobald es gröbere Schwierigkeiten gab, haben sie mich im Stich gelassen. Ich bin doch der Kunde und frage mich nach all meinen Erfahrungen: Kann das der richtige Partner sein?"

"Ich betreibe nur Selbsterhalt, wenn ich eine komplette Wiedergutmachung des Schadens verlange. Was bei mir passiert ist, waren Feldversuche und Tierversuche." Bis heute aber warte er auf eine Entschädigung des Konzerns. Doch daneben hat Glöckner ein übergeordnetes Ziel: "Ich will, dass die Gentechnik-Unternehmen aus der Sache lernen und weltweit die Konsequenzen daraus ziehen. Ich mache das für die gesamte Landwirtschaft, denn jeder müsste sich damit beschäftigen, auch die landwirtschaftlichen Interessensvertreter."

Glöckner, der einstige Gentechnik-Vorreiter, will die Bauern ermutigen, die Art und Weise der Versprechen der Konzerne - etwa wenn es um deren Leistungen geht - kritisch zu betrachten: "Der Blick der Gentechnik-Industrie ist immer in die Zukunft gerichtet. Es heißt immer: ´Wir werden … den Hunger besiegen, … gesunde Pflanzen entwickeln, und so weiter´. Die Vertreter dieser Konzerne leben immer in Visionen. Doch das lenkt von aktuellen, selbst verursachten Problemen ab, die jetzt gelöst werden müssen."

Der Stall ist leer, Glöckner sind die Spuren des vergeblichen Kampfes für die Rettung seiner Tiere und die Spuren des Kampfes gegen Behörden und Syngenta anzusehen:

"Meine Situation ist elend, ich muss einen Strich ziehen und neu anfangen. 20 Jahre Zuchtarbeit wurden auf den Lastwagen gekarrt. Ich habe die vergangenen Jahre alles probiert und gesehen, dass ich auf verlorenem Posten stehe. Zum Schluss sind die Tiere ein teures Hobby geworden. Doch das hier ist meine Lebensgrundlage und das Resultat davon zu sehen, ist hart - zumal, wenn man immer meint, man hat alles im Griff. Und auf einmal passiert etwas, nach dem man plötzlich wie ohne Ruder im Meer treibt."

Glöckner hat sich ein riesiges Wissen rund um die Gentechnik aufgebaut, ist selbst zu einem Experten im deutschsprachigen Raum geworden. Rund um den Fall seiner Kühe musste er mühsam Teil um Teil zusammenführen. Jetzt glaubt er, das Puzzle fast fertig zu haben. Es sei ihm immer darum gegangen, die Sensibilität zu schärfen und den Bauern zu helfen. Jetzt ist sein kleiner Trost, für viele eine Stütze geworden zu sein und auch einiges ins Rollen gebracht zu haben.