Donnerstag, 3. April 2008

Film: Arme Sau - Das Geschäft mit dem Erbgut, WDR 2007 45 min

ein Film von Christian Jentzsch, WDR 2007 45min
Dieser Dokumentarfilm ist bei Google online gestellt worden.


Landwirt Christoph Zimmer traut seinen Augen nicht. In drei unauffälligen Aktenordnern schlummert brisantes Material - ein Patentantrag auf Schweine. Genforscher des großen amerikanischen Biotechnologie-Konzerns Monsanto haben bestimmte Abschnitte des Erbgutes von Schweinen entschlüsselt und beschrieben. Diese wollen sie nun weltweit als Patent anmelden. Zwei Patentanträgen reichte der Konzern 2005 bei der Weltpatentbehörde in Genf (WIPO) ein. Von der WIPO wurden die Anträge in mehr als 160 Länder, unter anderem an das Europäische Patentamt in München weitergeleitet.

Können "Schweine" eine Erfindung sein?
Im Fall einer Erteilung eines Patents wäre Schweinezucht nur noch mit der Genehmigung des Konzerns möglich, befürchten deutsche Schweinezüchter. Einer von ihnen ist Christoph Zimmer. Er hat Angst, dass auch bei seinen Sauen und Ferkeln diese Gene längst vorhanden sind. Mit DNA-Tests will er beweisen, dass in den Patentanträgen keine Erfindungen stehen, sondern dass hier ein Teil Natur, nämlich das ganz normale Schwein, in die Hände einer einzigen Firma fallen soll. Laut Zimmer wäre die Konsequenz für die Bauern: Würde das Patent genehmigt, müssten sie für jedes Schwein, das diese Genmarker trägt, Geld an Monsanto überweisen.
Wie kann es aber sein, das Monsanto etwas patentieren kann, was es schon seit Jahrtausenden in unseren Schweinen gibt? Können Gensequenzen als solche patentiert werden oder nur eine bestimmte Anwendung der DNA-Sequenz? Patente auf Lebewesen werden seit langer Zeit hitzig diskutiert, so auch vor der Verabschiedung der so genannten "Biopatentrichtlinie" durch die EU im Jahr 1998. Auch über die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht wurde kontrovers diskutiert.

Patente auf Lebendiges sind möglich
Nach deutschem Recht ist es durchaus möglich, menschliche, pflanzliche und tierische Gene zu patentieren. Als Einschränkung gilt aber erstens: Die spezielle Funktion des Gens oder der Gensequenz und deren Anwendung müssen im Antrag zur Gänze beschrieben sein. Zweitens können keine ganzen Gene mit all seinen Funktionen patentiert werden, sondern immer nur Abschnitte, die einem bestimmten Zweck dienen. Für ganze Pflanzensorten und Tierrassen werden laut Gesetz keine Patente erteilt. Vordergründig behandeln die Patentanträge von Monsanto also nicht die Rechte an Rassen, sondern eine neue Kombination von Verfahren zur schnelleren Schweinezucht mittels Kreuzung, Selektion und künstlicher Befruchtung. Doch alle diese Verfahren werden im Einzelnen schon seit Längerem eingesetzt. Wo ist hier die Innovation, fragen die Kritiker.
Das Misstrauen gegen Agrar- und Biotech- riesen wie Monsanto sitz tief: Greenpeace zum Beispiel kritisiert, dass, neben der Patentierung einer "neuen" Methode, Monsanto auch spezielle Gene, die der Konzern in Schweinen entdeckt hat und die schnelles Wachstum bewirken, patentieren lassen will. Und weiter hinten in den Patentanmeldungen, so Greenpeace weiter, erhebe der Konzern sogar Anspruch auf die Nachkommen der Schweine mit diesen Genen. Dabei kämen die gefragten Gene "eigentlich in allen europäischen Rassen" vor, die Greenpeace im eigenen Auftrag untersucht hatte.
Droht hier Gefahr? Monsanto führt in den USA schon vor, wie mit angeblichen patentverletztenden Farmern umgegangen wird. Gentechnisch veränderter Mais darf, so steht es auch in den Verträgen mit dem Konzern, nicht nachgezüchtet werden. Wird dennoch auf den Feldern der Farmer gentechnisch veränderte Anbaupflanzen aus Eigenzucht gefunden geht es vor Gericht - auch wenn die Pflanzen vom Nachbarfeld durch den Wind "eingebracht" wurden. Mehrere hundert Farmer müssen sich in den USA deshalb vor Gericht gegen erhebliche Schadensersatzforderungen wehren. Auch die Abhängigkeit der Farmer, die regelmäßig neuen gentechnisch veränderten Mais von den Agrarmultis kaufen, ist enorm.

Tierische Nahrungsmittel - ein riesiger unerschlossener Markt
Firmen wie Monsanto (USA), Genus (England) oder Topigs (Niederlande) haben das ökonomische Potenzial der Nutztiere entdeckt und sind dabei, ihr Erbgut patentieren zu lassen. Bei 50 Millionen geschlachteten Schweinen im Jahr und einem Verzehr von 54,5 Kilogramm Schweinefleisch pro Bürger (2006) ist dieser Markt äußerst lukrativ.
Aber es ist nicht nur die Frage des Geldes, sondern auch die Frage, welche Risiken diese Nahrungsmittel für den Verbraucher haben. In Amerika gibt es bereits Fälle von Unfruchtbarkeit bei Tieren, die mit dem entsprechenden Genmais gefüttert wurden. Was geschieht mit dem Menschen, wenn er das Schwein isst?
Die Prognose von deutschen Genforschern lautet: Kleine Züchter werden wohl bald aufgeben müssen, weil weltweit nur noch ein paar große Konsortien im Wettstreit um ein marktgerechtes Schwein erfolgreich sein werden. Sehen Sie am Montag, 10. Dezember 2007, von 20.15 Uhr an einen Film von Christian Jentzsch zum Thema.
Quelle:
3sat.online