Freitag, 16. Januar 2009

Fragwürdige Versprechen der Gentechnikindustrie /07.01.09

Die Gentechnikindustrie gibt sich gerne als Retter vor Welthunger und Mangelernährung. Als Mittel gegen den weit verbreiteten Vitamin-A-Mangel in der Dritten Welt, der zur Erblindung und zum Tod führen kann, wurde Reis mittels Gentechnik mit Provitamin A angereichert. Doch der "goldene Reis" konnte die Heilsversprechen bislang nicht einlösen.

Das vermeintliche Vorzeigeprojekt "Golden Rice" stellt sich insgesamt als eine Kampagne dar, mit der gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln zum Durchbruch verholfen werden soll. Kritiker der Gentechnik sollen moralisch unter Druck gesetzt, Verbraucher von deren Wohltaten überzeugt werden.

Vitamin-A-Reis soll Erblindung verhindern
Die erste Generation des "Golden Rice" wurde 1999 entwickelt. Durch gentechnische Eingriffe veränderten Wissenschaftler den Reis so, dass in seinen Körnern Carotinoide gebildet werden. Daraus kann im menschlichen Körper das lebenswichtige Vitamin A gebildet werden. Da die Körner durch die Carotinoide eine gelbliche Farbe erhielten, wurde der Reis "Golden Rice“ getauft. Die Saatgutindustrie versprach, der "goldene Reis" könne die Vitamin-A-Mangel-Krankheit eindämmen. Jedes Jahr erblinden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Entwicklungsländern bis zu 500.000 Kinder wegen Mangel an Vitamin A. Die Hälfte davon stirbt innerhalb von zwölf Monaten.

Daten werden nicht veröffentlicht
Doch wie eine von foodwatch in Auftrag gegebene Recherche (PDF) zeigt, sind die meisten Fragen zur Qualität und Sicherheit des "Golden Rice" bis heute nicht beantwortet. Projektbetreiber ist ein sogenanntes "Golden Rice Humanitarian Board“, dem verschiedene Wissenschaftler angehören. Finanziert wird das Projekt durch die Rockefeller Foundation und die Stiftung von Bill und Melinda Gates. Die Betreiber haben bisher jedoch noch nicht einmal banale technische Angaben wie den Gehalt an Carotinoiden nach Lagerung und Kochen des Reises publiziert. Dabei ist das von entscheidender Bedeutung, denn Carotinoide können während der Lagerung relativ rasch abgebaut werden. Unklar bleibt bisher also, wieviel Vitamin A durch "Golden Rice" tatsächlich im Körper ankommt. Die Veröffentlichung dieser Daten ist schon seit mehreren Jahren angekündigt. Doch selbst auf direkte Nachfrage verweigern die Projektbetreiber dazu nähere Angaben.

Risikobewertung fehlt
Auf der anderen Seite bestehen erhebliche Risiken für Gesundheit und Umwelt. Doch auch hierzu haben die Betreiber bislang keine Untersuchungen veröffentlicht. Dabei gibt es Hinweise darauf, dass sich gentechnisch veränderter Reis durch Kreuzung mit wilden Artverwandten unkontrolliert verbreiten kann. Bei anderen gentechnisch veränderten Pflanzen wurden in Tierversuchen zudem unerwartete gesundheitsgefährdende Effekte beobachtet. So führte die Verpflanzung von Genen der Bohne in Erbsen zunächst zu geringfügigen Veränderungen am Eiweiß, die aber lebensbedrohliche Reaktionen des Immunsystems auslösten.

Tests an Schulkindern sind geplant
Obwohl also die grundlegenden technischen Daten und öffentlich zugängliche Ergebnisse zur Risikobewertung des "Golden Rice" bisher fehlen, planen die Betreiber des Projektes bereits Tests an Schulkindern. Erst auf Intervention der Behörden wurden Versuche in China abgesagt, die dort für Sommer 2008 geplant waren.

foodwatch fordert Finanziers auf, ihr Engagement zu überprüfen
Nach wie vor unterstützen die Rockefeller Foundation und die Stiftung von Bill und Melinda Gates das Projekt. foodwatch hat an beide Stiftungen geschrieben und sie aufgefordert, ihr Engagement zu überprüfen. Auch vor dem Hintergrund, dass Spezialisten der Ausgabe von Vitaminpillen, der Anreicherung von normalen Lebensmitteln mit Vitamin A und der Unterrichtung der Menschen im Anbau von Karotten und speziellem grünen Gemüse inzwischen mehr Aussicht auf Erfolg einräumen als dem Einsatz von Gentechnik.

Politik schiebt Gentechnikindustrie vor
Insgesamt stellt sich das "Golden Rice"-Projekt als eine Kampagne zur Durchsetzung gentechnisch veränderter Nahrungsmittel dar, der öffentlichkeitswirksam ein humanitäres Kleid übergestreift wurde: Ein Projekt, mit dem gleichermaßen die Standards für die Risikoprüfung von gentechnisch verändertem Saatgut abgesenkt und die Kritiker der Gentechnik-Nahrung moralisch unter Druck gesetzt werden sollen sowie die Ablehnung der Verbraucher durchbrochen werden soll. Vor allem für die Politik sollten die Vorgänge um den "goldenen Reis“ eine Mahnung sein. Denn sie greift nur zu gerne die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie auf, um sich vor den geeigneten, aber unbequemen Maßnahmen - wie etwa den Welthunger durch ein faires Welthandelsystem für Agrarprodukte zu bekämpfen - zu drücken.
Quelle: foodwatch.de